22. März 2013

Ostern im Montafon

Am Beginn der Passionszeit stellte im Montafon der „Schmerzhafte Samstag“, der Tag vor dem Palmsonntag, einen ersten Höhepunkt dar. An diesem Tag fand in der größten Wallfahrtskirche des Tales, in Tschagguns, das bedeutendste Wallfahrtsfest des Jahres statt.

Am Palmsonntag folgte die Palmenweihe, bei der große Sträuße aus Weißtannen- und Buchenästen, Palmkätzchen und Haselruten zur Weihe in der Kirche vorbereitet werden. Auf die Haselstecken wurden mitunter kleine rote Winteräpfel gespießt, oder aus Zweigen wurd ein Kreuz geformt. Auch Wacholder, Buchsbaum oder Stechpalme kamen in den Strauß. Nach dem Palmsonntag wurden die geweihten Palmen unter das Dach der Häuser gesteckt, um Blitz und Feuer abzuwehren. Ein Zweiglein kam als Haussegen hinter das Kruzifix in der Stubenecke, das Kreuzlein des Straußes gegen das Verhexen in den Stall. Schließlich wurden einzelne Zweige bei Gewittergefahr im Herd verbrannt.





Für die männliche Dorfjugend beginnt dann in der Karwoche am Gründonnerstag die große Zeit. Wenn am Abend des Gründonnerstages die Kirchenglocken für drei Tage verstummen, kommt der große Auftritt der „Rätschner“. Der Volkskundler Richard Beitl berichtete dabei folgendes vom Tun der Schrunser Schulbuben vor dem Ersten Weltkrieg:

„Am Tag nach Palmsonntag beriefen einige, die Zufall, Reichtum der Eltern, Ehrgeiz, Alter oder irgendeine Tüchtigkeit zu Führern in der Schule bestimmt hatte, alle Besitzer von Rätschen oder Kartafeln auf die Gemeindebünte. Die Rätschen waren schwere Holztafeln, auf denen mehrere Hämmer, durch eine Drehwalze angespannt und gehoben, den scharfen, prasselnden Lärm eines Maschinengewehres erzeugten. Die Aufstellung der Rätschner hatte ihre festen Regeln. Zuerst kamen die schwächlichen Zweihämmer und zuletzt die von allen geachteten Achthämmer, die schwer in der Schulter hingen. An die Spitze, ans Ende und in die Mitte traten die Bevorzugten, die sich für dieses Jahr die große, mittlere und kleinere und das Totenglöggli gesichert hatten, alles handfeste, abgegriffene Holzbretter, in denen ein großer Klöppel hin und her schwang. Das Totenglöggli ging am Ende des Zuges, und wenn einer aus dem Dorf in den Kartagen starb, mußte es talaus, talein, bergauf und bergab auf allen Wegen geläutet werden, wofür der Glockenträger zusätzlich ein Silberstück bekam.
Wenn am Mittwoch die Mette nahe war, versammelten sich alle Rätschner auf dem Platz und zogen dann im Gleichtakt der Beine und Hämmer durchs Dorf. Das prasselte und knatterte dann um die Hausecken: rrr – rrr – rrrr – rrr – rrr – rrrr -. Mit den ersten Kirchgängern trafen auch die Buben am Seitenportal ein, schwangen die Rätschen an die alte Mauer und traten in die erleuchtete Kirche. Genauso wurde am Morgen und Abend ausgerückt. Nur das ‚Läuten‘ ganz in der Frühe besorgten die großen Holzglocken. […]“


Mehr zu diesem Thema im Jahresbericht 2011 der Montafoner Museen: http://www.stand-montafon.at/montafoner-museen/shop/jahresberichte

16. März 2013

Der Papst und das Montafon

Das Wappen und Siegel des Montafons zeigt in silbernem Schild zwei schwarze, gekreuzte Schlüssel. Das Symbol der gekreuzten Schlüssel ist dem päpstlichen Wappen entnommen, wird seit dem frühen 15. Jahrhundert verwendet. 



Während des Appenzellerkriegs (1405–1408) organisierten sich die Montafoner zu einem „Land“ (sog. Stand) und verwendeten als Zeichen im Wappen die zwei vom Hof St. Peter (bei Bludenz) abgeleiteten gekreuzten Petrusschlüssel.
Dieses Wappen wurde später eigenmächtig, um die eigene Bedeutung innerhalb der Vorarlberger Landstände zu erhöhen, zum päpstlichen Wappen umgestaltet, indem dem Wappenschild noch eine dreifache Papstkrone hinzugefügt wurde. Begründet wurde dies damit, dass Papst Johannes XXIII angeblich auf dem Weg zum Konzil von Konstanz in einer Sänfte vom Klostertal über den Kristberg ins Montafon getragen wurde, um der Pest zu entgehen und den Montafonern zum Dank dann das Recht auf diese Insignien verliehen habe.
1700 gestattete Papst Innozenz XII den Montafonern aber schließlich auch offiziell die Führung dieses Wappens. Hohe katholische Geistliche mit Montafoner Wurzeln und die Vorgesetzten Tales hatten sich für diese Bestätigung in Rom eingesetzt.

14. März 2013

12. März 1938: Hugo Ebners und Jura Soyfers Fluchtversuch über Gargellen

12. März 1938: Hugo Ebners und Jura Soyfers Fluchtversuch über Gargellen - ein Beispiel für die folgenschwere Rolle der einheimischen Gendarmerie in den Tagen nach dem Anschluss

Bereits in den ersten Tagen nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich am 12. März 1938 wurden im Rahmen einer großen Verhaftungswelle ca. 76.000 Österreicher festgenommen und binnen kürzester Zeit in Konzentrationslager deportiert.
Jura Soyfer, 1912 als Kind russisch-jüdischer Eltern in Charkow geboren, lebte seit 1920 in Wien und war in der links-intellektuellen Szene Wiens schon bald als Dichter und Mitarbeiter bei sozialistischen Zeitschriften bekannt. Soyfer musste also schon aufgrund seiner politischen Tätigkeit befürchten, dass sein Name auf der NS-Fahndungsliste vermerkt war. Da er zur Zeit des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich über keinen Pass verfügte, der eine legale Ausreise erleichtert hätte, war er gezwungen, die Flucht über die Berge zu wagen.
Gemeinsam mit seinem Freund Hugo Ebner nahm er am 12. März 1938 einen überfüllten D-Zug von Wien nach Bludenz. Hugo Ebner war im Jahr zuvor im Montafon auf Schiurlaub gewesen und schlug daher die Flucht über die Montafoner-Prättigauer Grenze in die Schweiz vor:

„Von allen Fluchtmöglichkeiten schien die von Hugo Ebner vorgeschlagene am plausibelsten: eine gemeinsame ‚Schiwanderung’ über die Schweizer Grenze. [...] Die beiden Freunde verlassen am Morgen des 13. März in Bludenz den Zug und fahren mit dem Bus bis Schruns. Auf Schiern steigen sie auf den 1450 m hoch gelegenen Gargellen [sic!], um von dort die Grenze zu erreichen. Am Nachmittag werden sie von einer österreichischen Grenzpatrouille,
die aus [zwei oder] drei Gendarmen besteht, perlustriert. In Juras Rucksack findet sich eine Sardinenbüchse, die in eine Zeitung eingewickelt ist, die schließlich zur Verhaftung führt [Anm. Richtigstellung: Die in Zeitungspapier gewickelte Sardinenbüchse befand sich in Hugo Ebners Rucksack]. Dabei handelt es sich nicht, wie von Personen, die nicht dabei waren, immer wieder erzählt wird, um ein Exemplar der Roten Fahne [Anm.: einer zu dieser Zeit illegalen Parteizeitung der Kommunisten] oder einer anderen illegalen Publikation. Die Situation ist viel grotesker. Der Greißler hatte die Sardinendose in einer Zeitschrift der völlig legalen Einheitsgewerkschaft aus dem Jahr 1936 eingewickelt. Der jüngste der Gendarmen, offensichtlich ein Nationalsozialist, der sich schon in den allerersten Tagen der ‚Ostmark’ seine Sporen verdienen will, nimmt trotzdem Anstoß daran. Daß die beiden Angehaltenen ‚etwas gedrucktes’ mithaben, ist ihm schon Grund genug zur Verhaftung. Er hätte wahrscheinlich einen anderen Vorwand gefunden, wenn diese Zeitung nicht gewesen wäre. Die anderen Gendarmen, durch das ‚Gedruckte’ ebenfalls alarmiert, wollen sich wegen des Eifers des Jungen auf nichts einlassen und lassen die Verhaftung geschehen.
Soyfer und Ebner werden nach St. Gallenkirchen [sic!] eskortiert, wo sie die Nacht im Gemeindekotter verbringen. Am nächsten Tag werden sie nach Bludenz gebracht – in das wohl sauberste Gefängnis Österreichs, der Wärter gibt ihnen Filzpantoffeln, um den Fußboden der Zelle zu schonen. Am 16. März werden sie ins Landesgericht Feldkirch überstellt. Ein Telephonat nach Wien ergibt, dass sie beide ‚Politische’ sind.“


Hugo Ebners Schilderung der Ereignisse kann unter
http://www.doew.at/erinnern/biographien/erzaehlte-geschichte/anschluss-maerz-april-1938/hugo-ebner-wir-versuchen-es-ueber-die-berge nachgelesen werden.



... Im KZ Buchenwald erkrankte Jura Soyfer aufgrund der katastrophalen sanitären Zustände an Typhus und verstarb am 16. Februar 1939 im Alter von 26 Jahren.

Mehr zu dieser Fluchtgeschichte bzw. zu vielen anderen geglückten oder gescheiterten Grenzübertritten zwischen 1938 und 1945 können im Band "Grenzüberschreitungen. Von Schmugglern, Schleppern, Flüchtlingen" nachgelesen werden. Erhältlich in den Montafoner Museen und online unter www.stand-montafon.at/montafoner-museen/shop/sonderband-5-zur-montafoner-schriftenreihe

7. März 2013

Montafoner Bevölkerungsgeschichte

Datum 13.03.2013
Beginn 20:00
Ort Tourismusmuseum Gaschurn



Montafoner Bevölkerungsgeschichte
Vortrag von Mag. Peter Helfer


Zwischen 1800 und 2000 verdoppelte sich die Bevölkerung des Montafon. Das Wachstum setzte zu einem Zeitpunkt ein, als zeitgenössische Wissenschafter das Tal als „stark übervölkert“ einschätzten.
Im Vergleich zur Landesentwicklung und innerhalb Montafoner Gemeinden werden die unterschiedlichen Wachstumsphasen, ihre möglichen Bedingungen und Auslöser dargestellt.
Im zweiten Teil wird mit Methoden der historischen Demographie der eigentliche „Protagonist“, die Familien, in den Vordergrund gerückt. Die scheinbare Kontinuität der demographischer Kennziffern – EinwohnerInnen, Geburten, Eheschließungen, Sterbefälle – verdeckt einen tiefgreifenden Wandel des „Systems Familie“, der sich langsamer, aber parallel zum wirtschaftlichen Wandel vollzog, der das Bevölkerungswachstum erst ermöglichte.

1. März 2013

NS-Herrschaft in Vorarlberg mit besonderem Blick auf das Montafon

NS-Herrschaft in Vorarlberg mit besonderem Blick auf das Montafon
Vortrag von HR Mag. Meinrad Pichler


Datum 05.03.2013
Beginn 20:00
Ort Heimatmuseum Schruns

Pichlers jüngst erschienenes Buch „Nationalsozialismus in Vorarlberg. Opfer-Täter-Gegner“ ist die erste zusammenfassende Darstellung dieser Zeit und war im Dezember 2012 der Bestseller im Vorarlberger Buchhandel. In seinem Referat wird der Autor auf allgemeine Aspekte eingehen, besonders aber die Verhältnisse im Montafon der Jahre 1938-1945 beleuchten.

Neu, ansprechend und zusammenfassend erzählt Meinrad Pichler in seinem jüngsten Buch die Geschichte der nationalsozialistischen Herrschaft in Vorarlberg. Nicht nur für interessierte Erwachsene – sondern speziell auch für eine jüngere Leserschaft. Ein Standardwerk, das sich auch mit Biographien von Opfern, Tätern und Gegnern an das Thema annähert. Mit über 300 Bildern schafft er einen Zugang zu dieser Zeit, die nur noch teilweise verständlich scheint, aber nachwirkt.

Meinrad Pichler ist Gründungsmitglied der Johann-August-Malin-Gesellschaft und hat schon zahlreiche Publikationen zur neueren Vorarlberger Geschichte herausgegeben. Es war Geschichte- und Deutschlehrer und anschließend Direktor des BG Bregenz Gallusstraße. Er gilt als einer der profundesten Kenner zum Themenbereich „Nationalsozialismus in Vorarlberg“.

Eintritt: € 4,-- / Mitglieder des Heimatschutzvereins frei