27. September 2007

Hemingway kein Kriegsverbrecher

"Der Vorwurf, Ernest Hemingway sei ein Kriegsverbrecher gewesen, ist völlig unhaltbar“, nimmt die Kultursprecherin der Voralberger Grünen, LAbg. Karin Fritz, zu der ihrer Ansicht nach "reichlich schrägen" Debatte um das geplante und dann wieder vertagte Hemingway-Denkmal in Schruns Stellung. "Dieser Vorwurf basiert auf einem Wikipedia-Eintrag bzw. einem Artikel des geschichtsrevisionistischen 'Großen Wendig', der in keiner Weise dem Stand der Forschung entspricht."

„Hemingway ist bekannt als Aufschneider und Wichtigtuer, der sich gerne mit Taten gebrüstet hat, die er nicht begangen hat. Von uns eingeholte Stellungnahmen zweier Amerikanisten und Hemingway-Experten von den Universitäten Hamburg und Jena zeigen dies klar auf“, beruft sich Karin Fritz auf den Stand der universitären Forschung. "Das ist auch von der US-Armee - die derartige Übergriffe bekanntlich mit aller Härte geahndet hat - in einem Verfahren bestätigt worden."

"Der vom Schrunser Bürgermeister verhängte Stopp für das Aufstellen des Denkmals kann vom 'rechten Eck' leicht als Zurückweichen interpretiert werden", so Fritz. "Ich hätte mir erwartet, dass der Schrunser Bürgermeister vor einer derartigen Stimmungsmache nicht zurückweicht. Denn ein Kriegsberichterstatter und ein NS-Massenmörder dürfen nicht auf dasselbe Niveau gestellt werden. Derartige geschichtsverfälschende Darstellungen müssen Politiker klar und deutlich zurückweisen."

Die Abgeordnete erinnert an in der Vorarlberger Presse kommentarlos publizierte Aussagen eines Montafoners, der die Fälle Hemingway und Vallaster gleichgesetzt und sinngemäß gemeint hatte, dass man dem einen kein Denkmal setzen dürfe, wenn man den anderen aus dem Silbertaler Kriegerdenkmal streiche.

"Das alles zeigt, wie notwendig eine breite öffentliche Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit ist", so die grüne Kultursprecherin. "Die Heimatmuseen leisten seit längerem durch diesbezügliche Veranstaltungen und Vorträge einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Da dieses Thema lokale und regionale Aspekte hat, muss es sowohl vor Ort als auch landesweit weiterhin verstärkt bearbeitet werden. Der demnächst vorliegende 4. Band der Landesgeschichte würde eine Gelegenheit bieten.“

"Deshalb fordere ich ein weiteres Mal, die Darstellung der Geschichte der NS-Opfer und Täter des Landes im neuen Landesmuseum ein und eine intensive Zusammenarbeit des Vorarlberger Landesmuseums mit den Museen in den Regionen zur lokalen Aufarbeitung", verweist die Abgeordnete auf ihren mehrfach vorgebrachten Vorschlag.

"Die Frage, ob ein Hemingway-Denkmal in Schruns grundsätzlich sinnvoll und notwendig ist, ist eine ganz andere, daher möchte ich sie aus dieser Diskussion ausklammern“, so Fritz abschließend.


Anhang: Stellungnahmen von Prof. Rodenberg und Prof. Müller; Zitat aus: Der große Wendig.

sehr geehrter herr muther,
ich weiß von diesem vorwurf, der damals erhoben wurde. tatsächlich hat es oktober 1944 in nancy/frankreich aufgrund dieser gerüchte eine offiziuelle befragung durch die u.s. army gegeben, da hemingway dann seinen status als kriegsberichterstatter verloren hätte. er ist jedoch eindeutig von den vorwürfen freigesprochen worden.

belegt ist allerdings, dass er oft waffen bei sich hatte und im spanischen bürgerkrieg auch schießübungen mit soldaten durchgeführt hat.

was die selbstbezichtigung angeht, diese entsprach eher der prahlerei hemingways, die besonders in seinen späteren jahren zunahm. allein die zahl 122 ist ja nebenbei schon absurd. viele seiner anekdoten entpuppen sich bei genauerer nachforschung als erfunden.

ich hoffe ihnen weitergeholfen zu haben.
mit freundlichen grüßen
p. rodenberg
Prof. Dr. Hans-Peter Rodenberg
Universität Hamburg
Institut für Anglistik und Amerikanistik
Institut für Medien und Kommunikation
rodenberg@uni-hamburg.de

Sehr geehrter Herr Muther,
von Hemingway ist bekannt, daß er sich gegenüber Freunden und Bekannten gerne mit sogenannten tall tales - Übertreibungsgeschichten - gebrüstet hat. Dies halte ich auch im Falle des Wikipedia-Zitats (das ich quellenmäßig nicht überprüft habe) für denkbar. Die Wikipedia ist allerdings als Quelle prinzipiell höchst fragwürdig, das die Einträge (wie ja zuletzt in der Presse zu lesen war), von interesseiter Seite manipuliert werden können. Diesen Eindruck habe ich auch in diesem Falle.

Ich will mir kein absolutes Wissen über die Biographie Hemingway anmaßen (da mein Interesse stärker auf der literarischen Seite liegt). Soweit ich es aber übersehe, spielt die These vom "Kriegsverbrecher" Heminway in der seriösen biographischen Forschung keine Rolle.

Mit freundlichen Grüßen
Kurt Müller
__________________________
Prof. Dr. Kurt Müller
Institut für Anglistik/Amerikanistik
Lehrstuhl für Amerikanistik
Friedrich-Schiller-Universität Jena

Zitat aus: Der Große Wendig, S. 13

"Gewidmet

den zu Unrecht verleumdeten
deutschen Kriegsgenerationen des 20. Jahrunderts
Zur Ehrenrettung,

Den umerzogenen Nachkriegsgenerationen
Zum nachträglichen Verständnis
Ihrer Zeit deutscher Fremdbestimmung,

Der nachwachsenden deutschen Jugend
Zur verantwortlichen Gestaltung ihrer Zukunft
Und für die Erhaltung ihres Volkes."

... und was lernen wir daraus? Wikipedia bitte nicht alles glauben und bitte nicht alle Leserbriefe von Revisionisten abdrucken bzw. zu genau nehmen...

UND: Hört, hört - "Die Heimatmuseen leisten seit längerem durch diesbezügliche Veranstaltungen und Vorträge einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Da dieses Thema lokale und regionale Aspekte hat, muss es sowohl vor Ort als auch landesweit weiterhin verstärkt bearbeitet werden." - das klingt ja schon ganz anders als noch im Sommer, als der Obmann des Heimatschutzvereins Montafon Andreas Rudigier fragte: "Wo waren die zitierten Personen [Seff Dünser, Harald Walser, Walter Fink oder Jutta Berger oder Herbert Sausgruber oder Karin Fritz, Anm. d. Red.], als im vergangenen Oktober der Historiker Michael Kasper im Museum in Gaschurn zu den Schicksalen vor den Nazis flüchtender Mitbürgerinnen und Mitbürger in die Schweiz referierte? Wo waren Sie, als ebenfalls im vergangenen Oktober der Politikwissenschaftler Franz Valandro im Rahmen der 100-Jahr-Feier im Heimatmuseum in Schruns zum Thema Heimatschutz und Nationalsozialismus referierte? Wo waren Sie, als am 9. Mai diesen Jahres Dozent Wolfgang Weber im Heimatmuseum in Schruns zum Nationalsozialismus im Montafon referierte und mit dem Filmemacher Tone Bechter einen vergleichenden Blick in den Bregenzerwald warf?" Drei Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit – der Heimatschutzverein Montafon und der Stand Montafon sind längst bemüht, die Zeit des Nationalsozialismus im Montafon zu erfassen. Die genannten Historiker Wolfgang Weber und Michael Kasper (gemeinsam mit Edith Hessenberger) arbeiten derzeit an Projekten zum Nationalsozialismus, die Teil eines groß angelegten Geschichtsprojekts des Standes Montafon sind.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Was heißt da Wissenschaftlichkeit? Die Beurteilungen von den Universitäten Hamburg und Jena tragen in keinster Weise zur Klärung des Falles Hemingway bei. Sie beruhen selbst weitgehend auf Spekulationen und subjektiven Interpretationen. Die angeführte offizielle Befragung durch den "Inspector General" der US-Armee im Oktober 1944 soll gar nicht ernsthaft an der Klärung der Rambouillet-Vorwürfe interessiert gewesen sein.
Eine umstrittene Person mit einer mehr als zweifelhaften Kriegsvergangenheit reicht wohl aus, um einer öffentlichen Denkmalerrichtung für ebendiese ablehnend gegenüberstehen zu dürfen, ohne sich einer unsäglichen Punzierung ausetzen lassen zu müssen.