2. August 2007

Interview mit dem Sohn von Josef Vallaster

Vorarlberger Nachrichten; 23. Juni 2007, S. 12

INTERVIEW: Klaus Vallaster, Sohn des Silbertaler NS-Massenmörders Josef Vallaster

Klaus Vallaster, 65, ist der Sohn des Silbertaler NS-Massenmörders Josef Vallaster.

VN: Wann und wie haben Sie von der NS-Vergangenheit Ihres Vaters erfahren?
Klaus Vallaster: In den Sechzigerjahren hat mich meine Mutter aufgeklärt. Ich war stutzig geworden. Man hatte mir immer nur erzählt, mein Vater sei in Sobibor ums Leben gekommen. Dann habe ich im Lexikon erfahren, dass Sobibor ein Vernichtungslager war.

VN: Wie gehen Sie mit der mörderischen Vergangenheit Ihres Vaters um?
Klaus Vallaster: Das ist nicht einfach. Ich habe ja in der DDR gelebt. Dort habe ich das nicht an die große Glocke hängen wollen. Deshalb habe ich im Lebenslauf geschrieben, mein Vater sei im Krieg umgekommen.

VN: Haben Sie Hilfe in Anspruch genommen?
Klaus Vallaster: Überhaupt nicht. Ich bin psychisch relativ stabil und habe bisher keine Hilfe gebraucht.

VN: Inwiefern war am NS-Massenmord an Zivilisten neben Ihrem Vater auch Ihre Mutter beteiligt, die ebenfalls im österreichischen Behinderten-Vergasungszentrum Hartheim in Oberösterreich tätig war?
Klaus Vallaster: Sie kam als Krankenpflegerin aus Brandenburg im Mai 1940 dorthin. Sie hat erzählt, dass mit ihrer Beteiligung Kranke dort hingebracht und entkleidet wurden.

VN: Dann wurden die Kranken und Behinderten vermeintlich zum Duschen in einen Raum geführt und dort vergast.
Klaus Vallaster: Ja. Ich war sehr erstaunt über den Kepplinger-Bericht.

VN: Die Historikerin Brigitte Kepplinger berichtet, Ihr Vater habe die Leichen verbrannt und zuweilen sogar den Gashahn geöffnet.
Klaus Vallaster: Meine Mutter hatte mir erzählt, er habe als Kraftfahrer Kranke abholen müssen, auch aus der Nähe von Innsbruck.

VN: Hall war auch eine Zwischenstation für Patienten aus der Valduna, die dann in Hartheim vergast wurden. Wo Leben ausgelöscht wurde, entstand neues Leben: Sie wurden in Hartheim gezeugt.
Klaus Vallaster: Ja, meine Eltern haben sich in Hartheim kennengelernt und dort geheiratet. Trauzeuge war auch Franz Stangl.

VN: Der Oberösterreicher war Verwaltungsleiter in Hartheim und danach Nachfolger des Bregenzer NS-Arztes Irmfried Eberl als Kommandant des Vernichtungslagers Treblinka.
Klaus Vallaster: Ja, ich habe das Buch von Gitta Sereny über Franz Stangl gelesen. Der zweite Trauzeuge war Christian Wirth.

VN: Wirth war Büroleiter und wurde danach Inspekteur der drei polnischen Vernichtungslager.
Klaus Vallaster: Hartheim hatte ein eigenes Standesamt. Familienangehörige durften zur Hochzeit nicht kommen.

VN: Mit dem Standesamt wurden die Behindertenmorde vertuscht.
Klaus Vallaster: Ich war 2000 in Hartheim und möchte jetzt dort die Gedenkstätte sehen. Als meine Mutter 1941 mit mir schwanger war, verließ sie Hartheim und ging zurück nach Brandenburg. Dort wurde ich 1942 geboren.

VN: 1942 wurde Ihr Vater Aufseher in Sobibor.
Klaus Vallaster: Er war dort einer der maßgebenden Leute in der Vernichtungsmaschinerie. Er hatte eine fürchterliche Aufgabe. Ihm unterstand die Vergasung. 250.000 Juden wurden in Sobibor vergast.

VN: Wie werden Sie damit fertig?
Klaus Vallaster: Ich kann das nicht rückgängig machen und ich kann keine Wiedergutmachung betreiben.

VN: Aber Sie sind doch um Ausgleich bemüht?
Klaus Vallaster: Ich habe einen Betrag gespendet für die Gedenkallee in Sobibor, wo ich 1979 erstmals war. Ich bemühe mich mit meinen bescheidenen Mitteln, mit dafür zu sorgen, dass so etwas nie mehr passiert. Ich bin dieser NS-Ideologie nicht verhaftet. Ich will damit nichts zu tun haben. Aber man muss sich im Klaren darüber sein, wie das alles damals hat entstehen können. Das war ja eine Riesenbewegung.

VN: Hassen Sie für seine Verbrechen Ihren Vater, der 1943, als Sie eineinhalb Jahre alt waren, beim Häftlingsaufstand in Sobibor erschlagen wurde?
Klaus Vallaster: Nein, ich hasse ihn nicht. Er ist für mich einfach mein Vater, den ich nie kennengelernt habe. Ich hätte an ihm verzweifeln können. Aber so bin ich nicht gestrickt. Meine Mutter, die 1995 gestorben ist, und meine Verwandten in Silbertal sprachen immer nur in höchsten Tönen von ihm. Demnach war er, ein Landwirt und Senn, fleißig und freundlich.

VN: Sie waren schon mehrmals zu Besuch in Silbertal.
Klaus Vallaster: Ja, erstmals 1959 und zuletzt 2003. Drei Halbgeschwister meines Vaters leben noch. Meine beiden Tanten sind schon lange tot. Als mein Vater in die NSDAP eintrat, ging seine Schwester ins Kloster, nannte sich Adolfine und war in Mäder und Tschagguns eine angesehene Volksschullehrerin. Im September 2006 hatten wir - ich, meine Frau und meine beiden Söhne - hier in Schöneiche bei Berlin zuletzt Besuch aus Silbertal.

VN: Soll der Name Ihres Vaters vom Opfergedenkstein für die gefallenen Soldaten in Silbertal entfernt werden?
Klaus Vallaster: Ich hätte kein Problem damit. Aber er ist mit seinem frühen Tod schon bestraft worden für seine Taten.

VN: Wie war es möglich, dass Ihr Vater 60 Jahre lang in Vorarlberg ein Unbekannter sein konnte?
Klaus Vallaster: Das ist wohl sehr verdrängt worden, so wie anderswo die NS-Vergangenheit auch. Die Aufarbeitung läuft nicht nur in Vorarlberg jetzt erst richtig an.

VN: Was haben Sie beruflich gemacht?
Klaus Vallaster: Ich habe Gartenbau studiert, war Diplomgärtner und bin jetzt seit 1. Mai Rentner.

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